Berger, Prof. Dr. Christian
Die Erstellung elektronischer Archive in der Novellierung des deutschen
Urheberrechts - von der EU-Richtlinie zu "Korb II"
Das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft aus
dem Jahre 2003 hat das Archivprivileg eingeschränkt. Elektronische Archive
sind nur zulässig, wenn sie keinen Erwerbszweck verfolgen. Zudem dürfen
sie nur der Bestandssicherung dienen, nicht Recherchezwecken. Der Gesetzgeber
trägt damit den Vorgaben der EU-Informationsrichtlinie Rechnung. Im Rahmen
der weiteren Anpassung des Urheberrechts an die Informationsgesellschaft ("Korb
II") steht eine nochmalige Änderung und ggf. Harmonisierung an das
Recht zur Erstellung elektronische Pressespiegel zur Diskussion. Der dem Gesetzgeber
aufgrund der Informationsrichtlinie verbliebene Gestaltungsspielraum ist freilich
sehr eng.
Clerici, Peter
Digitalisierungsprojekt der Ringier Dokumen-tation Bild (RDB)
Die Ringier Dokumentation Bild (RDB), eine Abteilung des grössten Verlagshauses
(Ringier AG) der Schweiz, besitzt landesweit eines der umfassendsten Bildarchive
mit ca.10 Mio. physischen und momentan 250 000 digitalen Bildern. Pro Woche
werden über 1000 neue Bilder ausgewählt, indexiert und in die Datenbank
eingepflegt. Das digitalisierte Bildangebot steht auch externen KundInnen online
zur Verfügung. Seit 1999 wird verlagseigenes und externes Bildmaterial
konsequent nur noch digital archiviert. Gestartet wurde mit einer inhouse entwickelten
Datenbank, welche im Herbst 2003 durch eine Standardsoftware abgelöst wurde.
Das aktuelle, von der Konzernleitung bewilligte, Digitalisierungsprojekt hat
zum Ziel, nebst der Archivierung der aktuellen Bilder, in drei Jahren zusätzlich
ca. 300 000 Bilder des physischen Archivs zu scannen und ins digitale Archiv
zu integrieren. Um diese Menge an Bildern zu bewirtschaften, wurden die personellen
und finanziellen Ressourcen vorübergehend aufgestockt. Der Schwerpunkt
der Bildauswahl liegt bei exklusiven, verlagseigenen Bildern mit kultur-historischem
Hintergrund. Nach dieser Zeitspanne wird nur noch das digitale Archiv bewirtschaftet,
das physische Archiv teilweise aufgelöst oder dezentralisiert.
Blume, Horst Ch.
PhonoNet - Dienstleistungen zur Unterstützung der Vermarktung der phonographischen
Industrie
Das Ziel von PhonoNet ist es, durch einheitliche Schnittstellen und Formate
den Datenaustausch zwischen allen Musikfirmen, Händlern und Medienpartnern
effizient zu gestalten. Urheberrecht ist für diese Arbeit insofern wichtig,
dass PhonoNet keine Rechte an den Daten erwirbt und weitergibt, sondern die
Daten im Auftrag der Rechteinhaber bereitstellt.
Deggeller, Kurt
Multimedia bezeichnete vormals ein unhandliches Konglomerat aus Druckerzeugnis
und Bild- oder Tonkassette. Heute ist es eine beliebte Informationsform, die
aus dem Alltagsleben der Medien nicht mehr wegzudenken ist. Da Bilder, Töne
und Texte aus derselben Materie, nämlich Bits und Bytes hergestellt oder,
bei älterem Material, in diese Form gebracht werden, sind der Konvergenz
kaum noch Grenzen gesetzt. In der Praxis der Medien hat diese Entwicklung weitgehende
Konsequenzen. Für die Beschaffung von Information, deren Verarbeitung und
Speicherung sowie Verbreitung bedarf es neuer Strategien und neuer technischer
Mittel. Auch die Nutzung von Information geht neue Wege: wir wollen von einem
bestimmten Ereignis nicht nur Bilder oder nur einen O-Ton oder nur etwas Geschriebenes,
wir wollen alles gleichzeitig und möglichst schnell verfügbar haben.
Dieser Anspruch wird meist über Internet an alle Informationsquellen herangetragen:
an die Printmedien, an den Rundfunk, aber auch an Archive, Bibliotheken und
Museen. Er beeinflusst den Produktionsprozess von Information, die Art, wie
diese verbreitet wird, sowie die Recherchetechnik. Jüngeres und älteres
Archivgut wird in digitalisierter Form mit der aktuellen Information verknüpft
und damit Mehrwert erzeugt. Wie weit all dies in der Praxis schon umgesetzt
ist, werden wir aus den folgenden drei Beiträgen erfahren, die aus einem
Printmedium, einer Rundfunkanstalt und einem Netzwerk zur Erhaltung des audiovisuellen
Kulturguts stammen.
Dreer, Pascal
Managing Multimedia Content am Beispiel swissinfo.org
Swissinfo/Schweizer Radio International hat sich in den letzten Jahren vom Kurzwellen-Radio
Broadcaster zu einem Online-Unternehmen gewandelt. Das Kernprodukt bildet dabei
die mehrsprachige News- und Informationsplattform swissinfo.org. Statt "nur"
Audio wird heute multimediales Material in neun Sprachen erstellt und über
verschiedene Online-Kanäle verbreitet. Der Umgang mit multimedialen Inhalten,
die Verwaltung und Publikation von Inhalten mit dem für Medienbedürfnisse
entwickelten Asset-Management System und neue Heraus-forderungen wie Speicherung
und Bandbreiten-Bedürfnisse sollen am Beispiel von swissinfo.org aufgezeigt
werden.
Ernst, Prof. Dr. Wolfgang
Jenseits der archivalischen Ordnung? Optionen digitaler Datenströme
Aus der Notwendigkeit, zu Sicherungsgründen digitale Kopien technisch veralteter
AV-Bänder zu erstellen, ergibt sich ein vollständig digitalisierter
Datenpool. Auf diesen nicht schlicht die klassischen Formen archivischer Ordnung
und Klassifikation abzubilden und damit ein altes Speichermedium zur Botschaft
des neuen zu machen (McLuhan), sondern die genuinen Optionen anderer Bild- und
Tonordnungen (image-based image retrieval etwa) zu nutzen, ist der Auftrag des
digitalen Archivs. Der Schrecken aller Archivare, nämlich Unordnung, wird
damit stochastisch aussagefähig und archivtechnisch kultivierbar. Archiv
heißt hier nicht mehr nur der Ort von Kassation, Erfassung und Bewahrung
von Dokumenten, sondern ebenso (mit Foucault) das neue mediale Gesetz dessen,
was gehört und gesehen, gelesen und erinnert werden kann. Auf der Ebene
von Programmierung wird das Archiv selbst algorithmisch produktiv, und die emphatische
Trennung vom Ort des Archivs und die Operativität von Gegenwart verschwimmt.
Doch bedarf es einer Clearing-Stelle, solche Dinge zu wissen und zu erproben;
gegenüber der reinen Internet-Vernetzung virtueller Archive ("Netzwerk
Mediathek") bedarf es des Ankers im realen Raum, der lokalen Rückkopplung
an die Materialität von Dokumenten als Pfand der Autorisierung virtueller
Datenströme.
Figini, Sandra
Vision mit Stolpersteinen - ein CMS für Speicherung, Verwaltung und
Retrieval des gesamten Video-contents aus Produktion und Archiv. Digitalisierungskonzept
beim Schweizer Fernsehen DRS
Die Vision: Ein Content Management System speichert und verwaltet Videocontent
und Metadaten, unabhängig davon, ob es sich um aktuelles Material, Agenturmaterial
oder Archivmaterial handelt. Der Videomanager (ehemals Archivar) speichert,
erfasst und beschreibt diese verschiedenen Kategorien von Videomaterial. Der
Programm-schaffende sucht auf diesem System nach benötigtem Videocontent,
visioniert, stellt gewünschte Videosequenzen zusammen und schickt diese
als Projektdateien auf den Schnittplatz. Das Konzept leuchtet ein, tönt
verlockend! Wo aber liegen die Stolpersteine auf dem Weg ins digitale Paradies?
Und: Kann man das bezahlen?
Gasterich, Franz-Josef
Das neue Elektronische Archiv der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - vom klassischen
Papierordner zum digitalen Presseordner
Das Textarchiv der Frankfurter Allgemeine Zeitung ist eines der großen
Pressearchive der Welt. Es umfaßt einen Bestand von etwa 40 Mio. Presseartikeln
aus mehr als 200 Quellen, die bis in das Jahr 1949 zurückreichen. Zum 1.
Januar 2004 wurde dieses Textarchiv vollständig auf die digitale Speicherung
der neu eingehenden Presseartikel umgestellt. Besondere Merkmale dieses elektronischen
Archivs sind die Speicherung ausgewählter Artikel aus einer Vielzahl von
Quellen, die differenzierte Verschlagwortung unter Verwendung einer speziell
entwickelten Klassifikation und die browsergestützte Recherche, die die
Selektion der verschiedenartigen Informationstypen des neuen Archivs unter einer
Oberfläche ermöglicht. Die gestuften Informationselemente der Pressedatenbank
reichen von Volltexten mit Grafiken, Bildern und Darstellungen kompletter Zeitungsseiten
über Referenzinformationen und Hinweisen auf Experten bis hin zu weiterführenden
Informationsquellen mit Links in das Internet.
Im Vortrag werden die dokumentarische Konzeption, die techni-sche Plattform,
die Elemente der inhaltlichen Erschließung und die Rechercheoberfläche
dieses internen, elektronischen Presse-archivs vorgestellt, das innerhalb von
fünf Monaten realisiert wurde.
Geiger, Charles
Weltgipfel Informationsgesellschaft - von Genf nach Tunis
Die erste Phase des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft fand vom 10. bis
12. Dezember 2003 in Genf statt. Die zweite Phase ist geplant in Tunis vom 16
bis 18 November 2005. Der Referent wird vorerst auf die beiden Dokumente "Declaration
of Principles" und "Plan of Action" eingehen, die in Genf verabschiedet
wurden, und dann, soweit zum Zeitpunkt des Referats bekannt, die Vorbereitung
der zweiten Phase beschreiben. Der zweite Teil des Referats ist dem Zusammenhang
zwischen Wissensgesellschaft und Entwicklung gewidmet. Wie kann verhindert werden,
dass durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Reichen
noch reicher und die Armen noch ärmer werden? Ist die Wissensgesellschaft
ein "westliches" Phänomen, ein Produkt der Aufklärung, oder
ein universaler Trend? Besteht die Gefahr einer zukünftigen Eintopf-Kultur?
Neben den Fortschritten, welche Gefahren bergen die neuen Technologien und welche
rechtlichen Fragen stellen sich?
Müller, Rudolf
Grundlagen und Kriterien der Bewertung von Beständen in den Schweizer Radiostudios
Für Memoriav, den Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kultur-gutes
der Schweiz, ist die Bewertung und Selektion ein zentrales Aufgabengebiet. Ziel
ist eine konsistente, nationale Politik bei Auswahl, langfristiger Aufbewahrung
und Zugang.
Ausgewählte Bestände von Tondokumenten sollen öffentlich recherchier-
und anhörbar gemacht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind strukturierte
Bewertungs- und Selektionsarbeiten im Hinblick auf eine Priorisierung notwendig.
In den Radioarchiven, von welchen hier die Rede sein soll, sind mehrere Achsen
des Vorgehens miteinander zu koordinieren. Zum einen ist in der heterogenen
kulturpolitischen Landschaft der Schweiz nicht von vornherein klar, was die
einzelnen Sprachregionen als aufbewahrenswert erachten. Memoriav kann Hinweise
geben, ob und wie über die sprach-regionalen Grenzen hinaus Komplementarität
geschaffen werden könnte. Von der Ueberlieferungsbildung her betrachtet,
das ist der zweite Punkt, unterscheiden wir beim Altmaterial Eigenproduziertes
und technisch-kommerziell Vervielfältigtes, das je verschieden behandelt
wird. Zur Bewertung der Eigenproduktionen wurde eine mehrstufige Segmentierung
nach Programmbereichen und Sendegefässen vorgenommen. Aufgrund einer chronologisch
auf-gebauten Synopse der Bestände kann die Programmleitung eine inhaltliche
Priorisierung in drei Stufen vornehmen. Das Interes-sante an diesem Vorgehen
ist, dass die Divergenzen kleiner sind, als man befürchten könnte.
Eine dritte Achse des Vorgehens gehört bereits der Vergangenheit an: Die
Priorisierung nach Mass-gabe des Zerfalls. Ca. 25 bis 30 % der physisch am meisten
bedrohten Tonträger wurden in den letzten Jahren überspielt. Ein vierter
und letzter Punkt betrifft die Konzeption der langfristigen Aufbewahrung der
Originale und den Zugang zum nicht oder noch nicht behandelten Material. Sie
ist als langfristige Zusammenarbeit und Arbeitsteilung der grossen nationalen
Archivinstitutionen innerhalb des Memoriav Netzwerkes organisiert.
Naegeli-Frutschi, Dr. Urs H.
Idées Suisses
Nach 17 Jahren findet also die Frühjahrstagung der Fachgruppe 7 wieder
in der Schweiz statt. Anlass genug, einen generellen Überblick sowohl über
die schweizerische Medienlandschaft wie auch über die hiesige Dokumentationsszene
anzustellen. Die Schweiz kennt eine enorme Vielfalt vor allem der gedruckten
Medien, begründet in den föderalen und regionalen Strukturen, sowie
der Viersprachigkeit des Landes. Trotzdem herrscht natürlich auch hierzulande
ein Trend zur Konzentration, was die verbleibenden Medien vermehrt dazu zwingt,
sich zu positionieren und zu überlegen, was sie von anderen unterscheidet.
Die Schnelllebigkeit des Rohstoffes "Nachricht" zwingt die schreibende
Zunft zu anderem Arbeiten und vor allem zur Konsultation von viel mehr Quellen
als früher. Ein Instrument dazu ist die Schweizerische Mediendatenbank
SMD, deren Arbeitsorganisation und Erschließung hier auch näher vorgestellt
werden soll.
Haener, Ruth
Mladic als heisse Kartoffel im jugoslawischen Landwirtschaftsdossier.
Halbautomatische Erschliessung im NZZ-Archiv. Erfahrungen und Konsequenzen.
Die definitive Verabschiedung des Papierdossiers zu Gunsten des digitalen Wegs
ist ein ereignisreicher Hürdenlauf. Die Resultate unserer Erschliessung
über ein digitales Arbeitsinstrument sind von unbarmherziger Transparenz.
Als das NZZ-Archiv im Jahr 2000 mit der Dossierbildung im digitalen Bereich
begann, baute es auf die ‚alte' Organisation der Papierdossiers auf. Kontinuität
in der Erschliessung der NZZ sollte beibehalten und der Zugriffskomfort erhöht
werden. Gleich zu Beginn war im NZZ-Medienarchiv eine Suche über die produktionsbedingten
Metadaten (Publikation, Ressort, Textgruppen, Autor / Autorin, Datum etc.) sowie
über Volltext möglich, was die Zugriffsnotwendigkeit auf inhaltlich
strukturierte Information deutlich relativierte. Die Arbeitsweise in den Redaktionen
änderte sich rasch und irreversibel.
Kaum umgestiegen fragten wir uns im Archiv, ob wir tatsächlich an zukunftsorientierten
Produkten arbeiteten und ob die Komplexität der traditionellen Erschliessung
inklusive Pflege der Algorithmen in der von uns begonnenen Dichte verhältnismässig
sei. Hinzu kam, dass die Dossiers über Schlagwörter gebildet wurden
und das Dossiermodul technisch unausgereift war. Die Information war somit von
Anfang an hybrid organisiert. Zwar brachte die halbautomatische Erschliessung
klar Rationalisierungseffekte, hat(te) jedoch trotz intensiver Systempflege
ihre Grenzen (siehe Titel). Die Lebendigkeit der Sprache wird uns immer ein
Schnippchen schlagen. Im Sommer 2003 zogen wir die Konsequenzen: Wir erschliessen
neu ausschliesslich über Schlagwörter und planen, im Frühjahr
2004 auf den Katalog von IPTC umzusteigen. Dies nicht, weil der Katalog so ganz
anders wäre als der hausinterne, sondern weil wir den numerischen IPTC-Code
aktiv und formatübergreifend einsetzen wollen, vorerst in Text und Bild.
Dass wir das Lektorat, die manuellen Korrekturen der halbautomatischen Erschliessung
und die Systempflege weiterhin als Kerngeschäft sehen, hat wesentlich mit
dieser Verknüpfung zu tun. Wir kommen damit auch unserem Ziel, möglichst
wenig proprietär, sondern standardorientiert und allgemeinverständlich
zu erschliessen, einen Schritt näher.
Hinze, Jens
Ein Jahr Automatische Katalogisierung von Pressetexten - Erfahrungen der Bauer
Verlagsgruppe mit Recommind
Die Pressedokumentation der Bauer Verlagsgruppe setzt zur inhaltlichen Erschließung
ihrer Dokumente seit April 2003 den MindServer Categorizer der Firma Recommind
ein. Mit der Einführung dieser Technologie konnte der bis dahin in Anspruch
genommene Service eines externen Dienstleisters ersetzt werden und eine Kernaufgabe
dokumentarischer Arbeit, bei gleichbleibender Personalzahl, wieder in den internen
Arbeitsablauf integriert werden. Neben der Kostenersparnis zählen der schnellere
und in der Regel qualitativ bessere Zugriff auf die archivierten Informationen
zu den großen Vorteilen, die die bekannten Schwächen der automatischen
Indexierung überwiegen.
Huck-Blänsdorf, Hans
Brockhaus - vom klassischen Lexikon zur multimedialen Inhalte-Vermarktung
Als marktführender deutschsprachiger Lexikonverlag hat Brockhaus in den
letzten Jahren verschiedenste Aktivitäten eingeleitet, um neben dem Buchgeschäft
in einer sich verändernden Welt - auch für die Rezeption von lexikalischen
Inhalten - zukünftig neue Geschäftsmöglichkeiten in der Vermarktung
der Brockhausinhalte wahrnehmen zu können. Der Vortrag berichtet über
die einzelnen Maßnahmen und gibt einen ersten Überblick über
die gemachten Erfahrungen. Einige Beobachtungen, die belegt und diskutiert werden
sind dabei:
- Der subjektiv wahrgenommene Wert eines Buches ist in der Breite noch nach
elf Jahren CD-ROM und fünf Jahren Online von den Neuen Medien nicht eingeholt.
- Buch + CD + Online: USP für ein Buchprodukt und neue Form der Kundenbindung.
- Wettbewerber auf dem Markt für allgemeine Informationsdienst-leistungen
sind vermehrt "Quereinsteiger": technische Anbieter, Non-Profit-Organisationen,
Portale, Suchmaschinen, uninahe Projekte (GNU-Projekt etc.).
- Noch ist unklar, welche neuen Trägermedien - außer Internet - in
der Wissensvermittlung in Zukunft erfolgreich sein werden (Intranets, UMTS,
WAP, i-mode, ebook, pocket pc etc.).
- One-to-One: Die direkten Kundenzugänge spielen eine immer größere
Rolle. Der (technische) Zugang zum Kunden gewinnt gegenüber inhaltlicher
Kompetenz zunehmend an Bedeutung.
Lersch, Prof. Dr. Edgar
Die Europaratskonvention zum Erhalt des Audiovisuellen Erbes - Konsequenzen
für dessen Bewertung und repräsentative Bestandsbildung
Mit dem Inkrafttreten der Europaratskonvention zum Erhalt des audiovisuellen
Erbes mutieren hinaus die bisher ausschließlich der Wiederverwertung im
Produktionsalltag dienenden AV-Dokumentationen über zweifelhafte Selbstverpflichtungen
zur Kulturgutsicherung zu Archiven im klassischen Verständnis des Wortes.
In diesem Zusammenhang bestimmt die Konvention in Art. 13.2 ausdrücklich,
dass Kriterien zur Bewertung und Aussonderung der Bestände entwickelt werden
sollten. Nach archivischem Verständnis ist eine Spannbreite von der Total-archivierung
(bisherige Praxis in den FS-Dokumentationen) bis zu rigiden Aussonderungsquoten
möglich, die sich allerdings nicht an rein ökonomischen Kriterien
orientieren dürfen und auch nicht an Bewertungsentscheidungen, die aus
der Perspektive der jeweils aktuellen und sich verändernden Programmpraxis.
Mit Blick auf eine dauerhafte Aufbewahrung nach archivischen Überlegungen
ist an Kriterien zu denken, die unter der Perspektive der Auswertungsoffenheit
die audiovisuellen Dokumente nach dem Gesichtspunkt ihres "informationellen
Gehalts" für dauerhaft überlieferungswürdig qualifizieren.
Mit Hilfe einer provenienz-orientierten Vorgehensweise sind die auf gattungsspezifische
Spezifika zurückgehenden Redundanzen und stark repititiven Elemente Programmteile
zu umschreiben. Abseits einer inhalts-orientierten Bewertung können so
sachgerechtere Ergebnisse und auch im Aufwand effizientere Bewertungsprozesse
erzielt werden als bei der Entscheidung über ein Einzelstück. Auf
diese Weise müsste es gelingen, die angesichts der stark ausgeweiteten
Produktionsvolumina stark angewachsenen Bestände auf beherrschbare Größen
zu reduzieren.
Looser, Heinz
Das Projekt "Digitale Archiv-Speicherung" bei Schweizer Radio RDS
Die Digitalisierung eines Archivs ist kein neues Abenteuer, es gibt einige Vorbilder,
von denen wir alle viel lernen können. Bemerkenswert am Projekt Digitale
Archiv-Speicherung bei Schweizer Radio DRS sind einige Besonderheiten, die Anlass
für spannende Diskussionen sein können: Aus finanziellen Gründen,
drängte sich eine drastische Selektion der Archivbestände auf. Wir
haben diese Selektion konsequent gemäß der Prioritätensetzung
des Programms durchgezogen, in einem komplexen Prozess mit den Programmverantwortlichen.
Die alte Archivdatenbank, die sich stark an Musad/Wosad anlehnte, wurde im Rahmen
des Projekts durch ein Content Management System ersetzt: dieses fußt
auf einer neuen stammdatenbasierten Metadatenstruktur, mit etlichen Vorteilen.
Kern des Digitalen Archivsystems ist eine standardisierte zentrale Datenbank,
die auch die Datenbanken der Sendesysteme, die Rotation und die Musikplanung
unterstützt und die den Datenaustausch mit externen Institutionen vereinfacht.
Zudem verringert sie den Erfassungsaufwand durch die bessere Konsistenz der
Daten. Der gesamte alte Datenbestand wurde migriert, ein Prozess, dessen Komplexität
wir unterschätzt haben und der uns mit einigen Lernschritten beglückte.
Das neue Archivsystem erlaubt ein Vorhören der Audios und es erhöht
die Verfügbarkeit von Zusatzdokumentationen zu Audios (Pressetexte, Booklets,
Bandbegleitmaterial, Manuskripte, Moderationstexte usw.). Daraus resultiert
eine deutliche Entlastung der Archivbewirtschaftung. Das neue CMS musste in
eine komplexe digitale Rundfunkwelt implementiert werden, damit die nötigen
Synergien und Erfolge wirksam wurden; dies beinhaltet insbesonders die direkte
Anbindung an ein Sendesystem. Last but not least beschäftigte uns der Aufbau
einer Digitalisierungs-Infrastruktur und das Aufgleisen eines Digitalisierungsprozesses
mit allen Implikationen (audiotechnisches Know-how, Ausbildung, Funktionsänderung
von Dokumentaren und Dokumentarinnen), die auch auf der sozialen und psychologischen
Ebene einige Herausforderungen darstellten.
Paaß, Dr. Gerhard
Konzept zur Evaluation von Textminingver-fahren beim PAN und der dpa
Für den Einsatz beim Presse-Archiv-Netzwerk deutscher Rundfunkanstalten
sowie bei der Deutschen Presse-Agentur wurden vom Fraunhofer Institut für
Autonome intelligente Systeme Textminingverfahren in zwei Szenarien untersucht:
Bei der teilautomatischen Erschließung werden von den Textminingsystemen
Vorschläge zur inhaltlichen Erschließung von Presseartikeln geliefert,
die von Dokumentaren manuell korrigiert werden. Bei der partiell vollautomatischen
Erschließung werden Vorschläge mit hoher Zuverlässigkeit automatisch
in die Erschließung übernommen und nur der Rest von Dokumentaren
überprüft. In einer umfangreichen Evaluation wurden sieben Textminingsysteme
führender deutscher Anbieter auf ihre Eignung untersucht. In einem formalen
Erschließungstest wurde für zwei umfangreiche Datenbestände
von jeweils mehr als 400000 Presseartikeln bzw. Agenturmeldungen evaluiert,
mit welcher Zuverlässigkeit die Systeme die vorgegebene Erschließung
rekonstruieren können. Ziel war hierbei nicht nur die Einordnung von Dokumenten
in umfangreiche Klassenhierarchien, sondern auch die Extraktion von Namen, Sachdeskriptoren
und freien Schlagwörtern. Zusätzlich wurde in Usabilityexperimenten
untersucht, welcher Anteil der Vorschläge der einzelnen Systeme von den
Dokumentaren tatsächlich übernommen wird. Hierzu wurde eigens eine
neutrale Benutzeroberfläche erstellt, um allein die inhaltlichen Unterschiede
der Vorschläge zu bewerten. Der Vortrag erläutert das Konzept dieser
Untersuchungen und diskutiert einige der gewonnenen Ergebnisse.
Peters, Günter
Automatische Verfahren zur Klassifizierung bzw. Verschlagwortung von Volltexten
haben sich im letzten Jahr etabliert. Sie sind über das Erprobungsstadium
hinaus gekommen und werden in Pressedokumentationen eingesetzt. Gleichzeitig
haben sich weitere Anbieter von solchen Verfahren vorgestellt, so dass der Überblick
über die angebotenen Verfahren immer schwieriger wird. Die Kriterien, nach
denen diese Verfahren verglichen und bewertet werden sollen, sind ebenfalls
schwer festzulegen. Einerseits sollen die Kriterien die unterschiedlichen Ansätze
berücksichtigen und andererseits so pragmatisch, so auf die dokumentarische
Praxis bezogen sein, dass man aus den Tests Rückschlüsse auf die Einsetzbarkeit
der geprüften Verfahren ziehen kann. Diese Kriterien sollen in diesem Block
exemplarisch dargestellt werden.
Das wesentliche Kriterium zur Überprüfung von Theorien ist, wie bekannt,
die Praxis. Deshalb sollen im 4. Block der Frühjahrstagung 2004 Erfahrungen
im Mittelpunkt stehen, die beim Einsatz von automatischen Verfahren gemacht
wurden. Sind verschiedene Typen von Pressetexten (Berichte, Glossen, Rezensionen)
von den eingesetzten Verfahren gleich gut analysiert worden? Welche Auswirkungen
hat die Zusammensetzung von Trainingsmengen auf die Ergebnisse der Klassifikation?
Können die vorhandenen Arbeitsabläufe in den Dokumentationen aufrecht
erhalten werden oder müssen sie verändert werden? Gibt es Einsparungen
durch den Einsatz solcher Verfahren? Diese und weitere Fragen sollen in den
Erfahrungsberichten beantwortet bzw. während dieses Blocks diskutiert werden.
Rauh, Felix
Die Memobase von Memoriav - wo Metadaten von Fernsehsendungen, Filmwochenschauen,
Radiodokumenten und Alltagsfotografien zusammentreffen
Memobase ist die Online-Datenbank von Memoriav, dem Verein zur Erhaltung des
audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz. Metadaten von Memoriav-Projekten werden
für die Suche über das Internet so aufbereitet, dass sie in eine erweiterte
Dublin Core Struktur passen und damit unabhängig von der Dokumentenart
gefunden werden. Während Fotografien in niedriger Auflösung sichtbar
gemacht werden dürfen, können aus rechtlichen Gründen keine Film-
und Fernsehbeiträge über Memobase gezeigt werden. Radioprogramme sind
dagegen von dafür bestimmten und entsprechend kontrollierbaren Arbeitsplätzen
aus zugänglich.
Schmitt, Dr. Heiner
Grundsätzlich gilt für Bewertung immer: Selektion und gezielte Komprimierung
von Informations- und Programmbeständen auf verwertungsrelevante Kernüberlieferung
ist Wertschöpfung im materiellen wie im immateriellen Sinne. Damit wird
Verwertung im Sinne von Auswertung, Wiederverwendung und Weiterverwertung -
sei dies im Produktionsprozess von Medienunternehmen oder auch in Wissenschaft,
Forschung und Lehre - zentraler Hinter-grund und eigentliche Legitimation der
Bewertungsprozesse. Oder einfacher: Bewertung schafft Mehrwert von Informations-
und Programmbeständen und ist die Voraussetzung, dass diese (also der Content)
verwertbar werden. Die Einbeziehung der Rechtsver-hältnisse, die bei jeder
Form von Nutzung zu berücksichtigen sind, ergänzt hierbei die inhaltliche
Bewertung des sogenannten Assets.
Lange Zeit wurde im Archivwesen davon ausgegangen, dass Hans Booms' archivphilosophischer
Ansatz von einer positiven Wertent-scheidung, die als Zielvorgabe die Dokumentation
aller gesamt-gesellschaftlichen Entwicklungen und Prozesse fordert, die end-gültige
Basis für Bewertung definiere. In der jüngeren wissen-schaftlichen
Grundlagenforschung setzt sich seit einigen Jahren, vor allem wegen der nicht
leicht zu bestimmenden Eingrenzung einer positiven Wertbestimmung auf das Wesentliche,
die doku-mentarische Ansätze durchaus integrierende Konzentration der Bewertung
auf die Bestimmung des Evidenz- und Informations-wertes von Überlieferung
durch. Diese Ansätze gehen zurück auf Theodore R. Schellenbergs Theorie
der Primär- und Sekundär-werte.
Soweit der Hintergrund: Wichtig für unsere Tagung sind die Vorstellung
konkreter Kriterien und deren Umsetzung, die Aus-wirkungen der Bewertung auf
die Dokumentation von Beständen und die Konsequenzen der Bewertung für
die Nutzung. Und da sollte der Ansatz so weit reichen, dem Gesichtspunkt des
kultu-rellen Erbes ebenso gerecht zu werden wie aber vor allem den Erfordernissen
des Produktionsgeschäfts im Medienbetrieb. Von Relevanz ist dabei vor allem,
die ökonomischen Zusammenhänge von Bewertung und Verwertung zu untersuchen
und zu analysieren.
Die Referenten werden also zunächst in rund 15minütigen Kurz-referaten
auf die Kriterien der Bewertung sowie auf die Grundlagen der Sicherung des kulturellen
Erbes eingehen. Im Anschluss daran wollen wir in einer Gesprächsrunde,
in die ich auch das Plenum einbeziehen möchte, sozusagen die Probe auf's
Exempel machen. Wir wollen uns nämlich in unserer Diskussion mit dem Thema
"Zwischen Unternehmensinteressen und kulturellem Auftrag - Die Archive
auf dem Weg zu Service- und Profitcentern" beschäftigen.
Staub, Herbert
Schweizer Mediendatenbank - A Clash of Cultures / Erfahrungen aus der Sicht
eines Nutzers und Partners
Drei grosse Medienunternehmen mit je eigener publizistischer Ausrichtung, Artikel
in vier Sprachen, Dokumentationsaufgaben und Archivfunktionen, Journalisten
und Rechercheure, Qualität und Quantität - wer all diesen Ansprüchen
mit einem gemeinsamen Dokumentationssystem gerecht werden will, riskiert den
Clash of cultures. Die Gründer der Schweizer Mediendatenbank SMD (Schweizer
Fernsehen DRS, Tamedia und Ringier) sind dieses Wagnis 1996 eingegangen und
suchten nach dem grössten gemeinsamen Nenner der verschiedenen "Kulturen".
Heute, acht erfahrungsreiche Jahre später, hat die SMD so etwas wie eine
eigene multikulturelle Form gefunden. Sicher entspricht sie in vielem nach wie
vor nicht den Idealvorstellungen, doch über Kompromisse - und mit denen
wissen die Schweizer ja bekanntlich zu leben - wird das Feld der Gemeinsamkeiten
ständig erweitert und neu definiert. Denn auch eine einmal errungene "Dokumentationskultur"
muss immer wieder hinterfragt und den sich ändernden Bedingungen angepasst
werden: Erschliessung ja oder nein? Bearbeitung durch Profis oder Hilfskräfte?
Ersetzt die Mediendatenbank den Rechercheur?
Tanner, Prof. Dr. Jakob
"The medium is the message" - die Virtualisierung und Kommerzialisierung
von Archiven aus historischer Sticht
Die Archive des Staates wurden mit der Französischen Revolution auf eine
neue Grundlage gestellt. Hatten sie vorher - im Ancien Régime - die Rolle
eines Herrschaftsmittels, so sollten sie nun der Demokratie dienen und den Bürgern
offen stehen. Dieses Ideal des frei zugänglichen Archivs wurde angesichts
fortbestehender Interessengegensätze zwischen Geheimdiplomatie, Staatsschutz
und Informationsdemokratisierung, zwischen Datenschutz und Forschungsfreiheit,
zwar nie verwirklicht, entfaltete jedoch als Leitbild ein beträchtliches
kritisches Potential. Inzwischen ist die starke Zentrierung der Archivproblematik
auf den Staat in den Hintergrund getreten und mit dem stärkeren Gewicht
der Massenmedien, der Medienunternehmen und der privatwirtschaftlicher Organisationen
überhaupt sind neue Fragen aufgetaucht. Diese erhalten mit den neuen Möglichkeiten
der Verarbeitung, Verbreitung und Vermarktung von Dokumenten durch das World
Wide Web eine zusätzliche Brisanz und eine qualitativ neue Dimension.
Wandeler, Dr. Josef
Tops und Flops - Entwicklungen in der Landschaft der Schweizer Mediendokumentation
Vor 17 Jahren hat die Frühjahrstagung letztmals in der Schweiz stattgefunden.
Jetzt wo wir wieder in Zürich tagen, ist das ein Anlass, einen Blick zurück
zu werfen: Was hat sich seither verändert, zum Guten und zum Schlechten?
Wo sind wir damals gestanden, was waren unsere Erwartungen und Perspektiven?
Was haben wir seither erreicht, wo mussten wir Hoffnungen begraben und wo hat
die Realität unsere damalige Fantasie übertroffen? Wo stehen wir heute
in Sachen Ausbildung und wie entwickelt sich hier der Arbeitsmarkt? Und was
sind die wichtigsten Unterschiede zwischen der schweizerischen und der deutschen
Mediendokumentionslandschaft?
Zwicker, Dr. Josef
Erlaubnis zum Vernichten: die Kehrseite des Archivierens
Angesichts des problematischen Verhältnisses zwischen der Masse akkumulierter
Information und der in einer konkreten Situation nutzbaren Menge ist offensichtlich,
dass Vernichten von Information eine Wohltat sein kann - jenseits der unmittelbar
ökonomischen Zwänge zur Beschränkung des Aufwandes für das
Erwerben, Aufbewahren, Erschliessen und Zur-Verfügung-Stellen.
Entscheidend ist, dass die Vernichtung - als Kehrseite der Aufbewahrung - nicht
willkürlich geschieht, sondern professionell und, im Falle öffentlicher
Archive, dem öffentlichen Interesse dienend. Professionell bewerten heisst
den allgemeinen state of the art kennen und anwenden, sich der Spezifität
des eigenen Dokumentationssystems bewusst werden und ihr Rechnung tragen, fähig
sein, auch mit knappen Ressourcen kohärent auf das Dokumentationsziel hinzusteuern.
Entscheidende Grundlage ist ferner das Bewusstsein der Begrenztheit des eigenen
Urteils. Es gibt keine Selbstoffenbarung des Dokumentationswertes potentieller
Archivalien.